erschienen beim Ulli Verlag
In euren hellen Nächten
Herbert Klocke veröffentlicht literarische Sammlung
96-seitiges Paperback-Buch mit Kurzgeschichten, Lyrik und Songs
Text: Herbert Klocke
Layout: Ina Spang
ISBN: 978-3-947926-15-2
18,00€
Drum zieh' dein Kleid aus Muscheln an - vielleicht sollten wir tanzen gehen.
EINE REZENSION VON INA SPANG
Herbert Klocke ist schreibender (Über)Lebenskünstler.
In jenem Münchner Stadtviertel, das der gebürtige Ostwestfale schon vor vielen Jahren zu seiner Heimat gemacht hat, kennt man Klocke. Eine Begegnung mit ihm ist wie ein rasanter Trip durch rauschende Wellen: Du wirst überschüttet, mit Geschichten und mit ungefilterten Wahrnehmungen. Mit Leid und Glück und mit Wortwitz. Du wirst eingehüllt von Bildern, die er dir in den Kopf zaubert. Absurde Bilder, oft komische, oft tragische. Es sind wahre Geschichten aus seinem (Er)Leben. Manchmal unglaubliche. Wann holt er Luft, fragst du dich, wann kommt er zur Ruhe, wann schläft er? Vielleicht nie.
Nach dem Abschied lächelst du und hast das Gefühl, dass die Sprüche über "Genie und Wahnsinn" Wahres bergen.
„In Euren hellen Nächten“ ist eine poetische Sammlung
Klocke hat jetzt ein weiteres Buch veröffentlicht. In euren hellen Nächten ist eine Sammlung an Short Stories, Gedichten und Songtexten. Das dichte Gesamtwerk besteht aus vielen kleinen Stücken. Und schon beim Aufschlagen des farbig illustrierten Buches wird klar: Es ist wahnsinnig üppig in seiner Vielfalt und Tiefe.
In euren hellen Nächten wird eröffnet von einer Reihe Kurzgeschichten. Klockes Prosa wirft den Leser mit einem klaren, fast sachlich wirkenden Schreibstil in plastisch beschriebene Situationen.
Die Umarmung beispielsweise erzählt von der Protagonistin Ruth Jansen, die in einer Bar von Fred charmant in einen Dialog verwickelt wird. Ruth offenbart Fred ihre Lebensgeschichte. Berichtet, wie sie sich als Studentin in den zwanzig Jahre älteren Zoologen Max verliebte. Da war sein großes Herz für aussterbende Tierarten und für verschollene Kulturen. Mit dem „normalen“ Familienleben kamen bald Langeweile und Alkoholsucht in Ruths Welt. Dann der von ihr verursachte Autounfall, bei dem beide Kinder starben. Seitdem zwischen ihr und Max nur noch unausgesprochene Vorwürfe. Max bringt irgendwann eine riesige Schildkröte nach Hause. Und die Kröte, die Max sein großes altes Kind nennt, nimmt Platz ein. Zu viel Platz. Für Ruth wird sie ein Monstrum, mithilfe dessen Max lodernde Eifersucht in Ruth auslöst. Dann Wut, dann Rachsucht – und dann beginnt Ruth, zu handeln…
Die Geschichte, bei der Autor Klocke es meisterhaft versteht, immer wieder zwischen Dialog-Situation in der Bar und erzählter Lebensgeschichte zu wechseln, gipfelt schlussendlich in einer kafkaesken Auflösung.
Und das eint alle Short Stories von Klocke: Der Autor vermag es, seine erzählte Wirklichkeit im letzten Akt auf eine mystische Ebene emporzuheben, um so der Geschichte höhere Hintergründe und Wahrheiten zu verleihen.
Tiefgehende Lyrik über den Wahnsinn der Wirklichkeit
mit starken zarten flügeln
Das Kapitel Aphorismen, illustriert mit scherenschnittartigen Schwarz-Weiß-Grafiken, birgt poetische Stücke von Klocke, die sich beim Lesen wie erfrischende Windstöße anfühlen.
Mit starken zarten Flügeln
erreicht mich dein Lachen plötzlich
am tiefsten Punkt
- beginnt er beispielsweise das Gedicht Plötzlich. Auf eine fokussierte und gleichzeitig spielerische Art kleidet Klocke empfindsame Momente in Worte. Lässt so seine ganz eigenen Sinnsprüche wie sich öffnende Blütenkelche entstehen, die mit jedem Mal Lesen noch intensiver duften.
niemand, mit dem wir singen können
Unter dem Titel Zeitgeschwüre bündelt der Autor eine Reihe lyrischer Stücke, in welchen sein Weltschmerz plötzlich mit voller Wucht deutlich wird. Es geht um fragwürdige Gesellschaftsnormen, um Klimawandel, heuchlerische Versprechen und das Spiel mit Sehnsucht und Einsamkeit. Etwa im Stück Lautstärke:
Lautstärkenverwöhnt
im Land ohne Lieder
kennen wir niemand
mit dem wir singen können
Klocke weiß, dass ein kritisches Betrachten der Weltumstände Schmerz auslöst. Und er schafft die Darstellung dessen wie ein Drahtseilkünstler, der auf Worten balanciert. Gut, dass die aufwühlenden Verse untermalt werden von farbigen, symbolreichen Collagen, die immer irgendwie aussichtsreich in Richtung Zukunft zu deuten scheinen.
Ein warmer hauch der gegenwart
Die Lyrik der titelgebenden Partie In euren hellen Nächten zeigt dann den melancholisch sanften Dichter Klocke, der es erstklassig versteht, mit Worten Emotionen regelrecht loszutreten. Beschriebene Reflektionen zwischen Erinnerung und Gegenwart, Sehnsüchte und eindringliche Begegnungen – und auch hierbei wieder viel Schmerz – und doch, beinahe jedes Mal, erklingt dann am Ende des Stückes versöhnte Zufriedenheit. Oder zumindest sind da blinkende Hoffnungsschimmer.
So heißen die letzten Zeilen des Titelgedichts In euren hellen Nächten:
Ein warmer Hauch betritt das Zimmer
erinnert euch an Gegenwarten.
Doch plötzlich unter euren dünnen Decken
findet die Liebe
neue Orte.
Build up your heart – ein Appell
In seinem Münchner Stadtviertel ist Herbert Klocke der Mann, der den Damen in schummrigen Bars mit seinen Songtexten glasige Augen macht. Er ist der übersprudelnde Geschichtenerzähler, von dem du denkst, dass er ganz sicher zuhause Stapel loser Manuskriptseiten hat, die ihm bald über den Kopf wachsen werden. Und begegnest du ihm, dann spürst du, dass er der melancholische Zweifler ist, dem trotz aller ungefilterten Wahrheiten niemals die Hoffnung ausgeht. Build up your heart, be a skyscraper appelliert er im allerletzten Kapitel Songs seines nun erschienenen Buches; und man sollte darauf hören.
Klocke ist jener Schriftsteller, der selbst wie die ausgedachte Figur eines Romans wirkt. Der Antiheld, der nicht ins kommerzielle, angepasste und langweilige Getriebe dieser Welt passt. Der nicht nur nicht reinpassen will, sondern es vielleicht wirklich nicht kann. Weil sein Wesen dafür zu stark, zu rebellisch und zu autonom ist. Heutzutage formuliert man das so: Herbert Klocke ist true. Und sein Buch In euren hellen Nächten ist es auch.