erschienen beim Ulli Verlag
Klamauk und wildes Zeug
Ina Spang veröffentlicht neues Werk: Ein Buch voller kurzer Kurzgeschichten. Ausgesprochen abgehoben, erstaunlich und auch anti.
104-seitiges Paperback-Buch mit Kurzgeschichten
Text & Illustration: Ina Spang
ISBN: 978-3-947926-17-6
16,00€
Dieses Buch von Ina Spang schaut seinen Leser in positiv multipliziertem Wahnsinn an. All diese Gesichter auf dem Cover, diese von konsequenten Mittelscheiteln oder dicken Brillengestellen verzierten Konterfeis machen den Titel Klamauk und wildes Zeug von Vornherein zu einem imposanten und dennoch geheimnisvollen literarischen Ereignis.
Nach ihrer letztjährigen Veröffentlichung von Sommer, irgendwann präsentiert die Autorin, Illustratorin und Musikerin der Band Muddy What? nun den literarischen Nachfolger: Das Taschenbuch Klamauk und wildes Zeug trägt den Untertitel Kurze Kurzgeschichten.
'Geschichten, so verschroben, abgehoben, als gehörten sie verboten'
heißt es im Klappentext.
Höherer Blödsinn im anarchischen Kräutergarten?
EINE BUCHBESPRECHUNG VON HERBERT KLOCKE
Bei "Klamauk" denke ich an höheren Blödsinn, an das Leben des Brian oder an Monty Python. "Wildes Zeug" ist in meinem Kopf ein Kräutergarten, aber auch eine Crossover-Mischtechnik in der modernen Landschaftsmalerei. All das klingt nach Ina Spang, die es nicht nur als Musikerin schafft, Wiedererkennungswert und doch kreative Spontanität zu etwas völlig Neuem zu verschmelzen.
'So verschroben, abgehoben, als gehörten sie verboten' heißt es auf dem Rückdeckel des Buches von den erwartendenden Geschichten. Trifft hier konservative Verhärtung auf das möglich Anarchische? Glücklich und neugierig öffne ich das Buch.
Kämpfende Schuhbänder und errötende Streichhölzer
Diese Geschichten hätten wohl einem Karl Valentin und einer Liesel Karstadt eine wahre Freude gemacht: Schuhbänder kämpfen miteinander, ein Loch in der Tasche wird zum sinnerfüllten Nirvana. Ina Spang entwickelt im Kapitel Aller Tage Alltag eine liebenswerte, plötzlich Leben bekommmende Welt von alltäglichen Gegenständen. Mit ihren metaphorischen Geschichten verrät uns die Autorin vielleicht sogar viel über sich selbst: Sie will, wie in der Geschichte Gestrickt, kein fest verwebter Wollfaden innerhalb einer einzigen großen Kettenreaktion sein. "Doch werde ich das wohl besser niemandem sagen, denn vielleicht werden sie dann denken, bei mir hätten sich einige Maschen gelöst", lesen wir da von dem oder der Ich-Erzähler/in. Ina Spang will ihre künstlerische, omnipotente Freiheit. Ganz so, wie auch diese materiellen Dinge sich auf eine von ihr kreierte unerwartete Reise begeben.
... wenn es Fabeln mit rein materiellen Dingen gibt - bei Ina sind es dann entspannte Zigarettenkippen oder errötende Streichhölzer - dann ist Ina meine Erfinderin dieses neuen Genres.
Herr Klamauk betritt die Bühne
Und dann betritt der Titelheld Herr Klamauk die Bühne. Er ist eigentlich ein zurückgezogener Zeitgenosse, der sich nicht traut, eine Tür an seiner Tapete zu öffnen, vermutet er doch dahinter ein emsiges Zwergenvolk. Die Autorin Ina Spang schickt ihren klamaukig spektakulären Helden auf verschiedene Abenteuer. Lässt ihn auf langweilig verspießte Hallosager treffen, denen er die Narrenkappe aufsetzt. Sendet ihn dann zu einer kafkaesken Begegnung mit einem Steine sortierenden Zeitgenossen. Abendspaziergang heißt diese Geschichte, die für mich hochgradig politisch ist und Erinnungen an den Landvermesser Kafkas aus Das Schloß weckt, welcher widersinnig ein nicht zu erreichendes Ziel anstrebt. Wie viele da draußen dürfen sich denn nicht zu ihren eigentlichen sinnsuchenden Wünschen bekennen? Ina weiß es wahrscheinlich. Mit Herrn Klamauk schafft sie eine erfrischend naive Figur, deren Erleben und Reisen vielschichtige Botschaften erzählen.
Ja, wenn die Welt grau wäre, Ina würde einen bunten Kaugummiautomaten entdecken. Dieser hypothetische Ansatz in der Geschichte 'Graue Welt' gibt uns allen bunte Hoffnung, denn grau ist die Moderne ja leider Gottes allzu oft.
Eine gefallene Träne wird zum Erdbeben
Euphoria heißt ein Kapitel in Ina Spangs Buch. Euphoria, das ist nicht nur Euphorie, sondern ein Zustand, der schnell auch ins Gegenteil kippen kann. Das rein Positive, wie auch die mögliche Kehrtwendung. So birgt etwa die Geschichte Vertuscht das hintergründige Geständnis der Autorin, dass es auch Traurigkeit und Melancholie in ihrem Seelenleben gibt: ...war verhohlen, verstohlen, konnte nicht verstehen, warum es mir in der Kehle stecken blieb, streckenweise dunkle Flecken auf Weiß schrieb und vertuschte, schreibt die Autorin in Vertuscht.
Der hektische Musiker Udo, dessen Musik den anderen immer voraus sein soll, wodurch er sie dann aber letztendlich verpasst - oder Erwin, der verhinderte Schiedsrichter, der Trillerpfeifen liebt und als Zugschaffner dann doch sein Glück findet - woher hat Ina nur die Vorlage zu diesen Personen, frage ich mich und lese entzückt weiter.
Du, mein kleiner Goldfisch, welch Geschwätz
Das letzte Kapitel Anti zeigt dann noch eine Seite, die eine Künstlerin, wie Ina aushalten muss. Wer mag dieser Goldfisch sein, der sie in einer der Geschichten vom Arbeiten abhält? Du murmelst vor dich hin, mein kleiner Goldfisch, und ich bin ein wenig gereizt deshalb... Manches in ihrem Leben ist, wie wir alle wissen, anstrengend. Vor allem, weil sie, aus ganzem Herzen, so viele künstlerische Dinge miteinander verknüpft. Am Schluss (die letzte Geschichte ihres Buches trägt den Titel Ich hau ab) haut sie aber eben nicht ab. Sondern fragt stattdessen, ob wir Lust auf einen Kaffee haben. Sie bejaht, allem zum Trotz, einen möglichst hohen inneren wie politischen Anspruch. Sie zieht aber das wohl Hintergründige und nicht blutig Revolutionäre vor – sie will keinen harten Scheiß.
Ich werde dieses Buch noch oft lesen und froh sein, dass in meiner glamourösen, leider oft verlogen scheinenden Stadt, eine Ina Spang mitten in diesem materiellen Vulkan existiert.
HERBERT KLOCKE ist Schriftsteller. Er lebt und arbeitet in München und hat bereits mehrere Werke beim Ulli Verlag veröffentlicht.